„Wenn 80 Zeilen nicht reichen“
Nachruf ahü von Marco Heinen
zum Tod unseres Redakteurs Andreas Hüser
Wenn kurz vor Redaktionsschluss etwas Gravierendes passiert, müssen Redakteure einen kühlen Kopf bewahren und funktionieren.
Stirbt zum Beispiel überraschend eine bedeutende Persönlichkeit, dann muss ein Nachruf her, werden Bilder gesucht und es herrscht eine ungeheure Anspannung, die sich erst löst, wenn alles getan ist.
Kollege Andreas Hüser, Redaktionsleiter der Neuen Kirchenzeitung in Hamburg, hatte irgendwann einmal aufgeschnappt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung von Journalisten 60 Jahre beträgt. Ob es stimmt, ist schwer zu sagen. Aber ahü, so lautete sein Kürzel und so wurde er im Kollegenkreis oft genannt, lag uns nun schon seit Jahren damit in den Ohren, erst recht, wo nun doch im Oktober mit seinem 66. Geburtstag die Rente bevorstand.
Er sei schon drüber über die Altersgrenze und überhaupt, er sei vorbereitet. Seinen beiden Kollegen in der Hamburger Redaktion empfahl er erst kürzlich, ihren Nachruf am besten selbst schon mal zu schreiben. So war sein Humor, pechschwarz, aber mit diesem beunruhigenden Körnchen Ernsthaftigkeit und ansonsten staubtrocken und ehrlich. Sein Glaube, tief und unerschütterlich.
Aus der Ruhe bringen ließ sich der gebürtige Dortmunder und bekennende Borussia-Fan nur sehr selten. Hektik? Nicht mit ihm – was andere manchmal zur Verzweiflung treiben konnte. Aber in der Ruhe liegt die Kraft, die auch Andreas Hüser innewohnte. Zeit für lange Telefonate, einen Kaffee und eine selbstgedrehte Zigarette musste sein, aber ebenso für lange Läufe an der Alster.
Andreas Hüser, der seit der Gründung des Erzbistums Hamburg das Geschehen dort publizistisch begleitete, war ein Vielschreiber, wenn nötig rasend schnell. „80 Zeilen schreibe ich über alles“, zitierte er immer den Kollegen einer westfälischen Lokalzeitung, bei der er gelernt hatte. Ihm selbst fiel es ebenfalls leicht, sogar aus einer sehr dünnen Suppe noch rasch eine lesenswerte Geschichte zu machen. Bei Interviews und Terminen machte er sich nur wenige, völlig unleserliche Notizen. Wie er daraus Texte destillieren konnte, wird ein Rätsel bleiben.
Intellektuelle Stilübungen, schlau formulierte Inhaltsleere, das war seine Sache nicht.
Im Gegenteil: Kam ein Thema kompliziert daher, nahm er es auseinander und setzte es so wieder zusammen, dass es auch „Oma Kleti aus Klein Posemuckel“ verstehen konnte. Denn das war sein Anspruch, klar und verständlich für die Leser zu schreiben. Für Leserinnen natürlich auch, aber „klar und verständlich“, das war aus seiner Sicht unvereinbar mit allen Varianten der Gendersprache. Wortgeklingel jeder Art, Kirchensprache, politische Korrektheit hatten in Texten unseres Kollegen nichts zu suchen. Eine Zeitlang sammelte er schlimme, hohl klingende Sätze aus Pressemitteilungen, darunter sehr viele aus dem kirchlichen Bereich.
Der Diplomtheologe, der immer mal wieder ein Zitat von Friedrich Nietzsche oder Charles Bukowski parat hatte, war selbst ein feinsinniger Mensch, ungeheuer belesen und auch musikalisch bewandert. Rein äußerlich wirkte Andreas Hüser nicht so, weil ihm Äußerlichkeiten ohnehin egal waren und er kaum etwas wichtig nahm, am wenigsten sich selbst.
Die meiste Energie verwandte ahü auf seine theologischen Kleinode, die in der „alten“ Kirchenzeitung auf der Horizont-Seite erschienen und im Magazin in der Rubrik „Glaubensleben“. Theologie, mit der jeder etwas anfangen konnte, schnörkellos und verständlich – und meist begeisternd. In seinem letzten Text ging es um die Himmelsschlüssel, die Jesus Petrus anvertraute. Der Beitrag endet mit einem Wort Jesu, dem letzten Satz des Matthäusevangeliums: „Siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Andreas Hüser hat fest daran geglaubt, dass er nicht allein ist. Obwohl der Familienvater von vier Kindern es zuletzt nicht immer leicht hatte.
Am Freitag, den 13. Juni, als die Redaktionsarbeit an der aktuellen Ausgabe getan war, ging Andreas Hüser laufen. Als er die Schwäche seines Herzens spürte, rief er selbst den Notarzt, der jedoch nichts mehr ausrichten konnte. Der Langstreckenläufer hatte sein Ziel erreicht. Sein Ziel war nicht der Ruhestand.
Stress wegen eines Nachrufs? Nee, nicht bei so einem Kollegen.
Da schreibt sich das von selbst, und 80 Zeilen reichen längst nicht. Denn so einer fehlt.
Erzbischof Heße zum Tod von Andreas Hüser
„Auf Helgoland, unserer kleinsten Nordseeinsel, habe ich die Nachricht vom Tod von Andreas Hüser, unseres Chefredakteurs der Kirchenzeitung gehört. In diesen Stunden und Tagen denken wir an seine Kinder und seine Frau; an Verwandte, Freunde und Kollegen. Möge Gott allen Trost und Segen schenken. Wir sind trotz aller Trauer, die unsere Herzen schwer machen, dankbar, mit ihm gelebt und gearbeitet zu haben. Er war Journalist durch und durch, kannte das Erzbistum wie kein anderer. Und er war ein Theologe und Philosoph, der das in Münster und Freiburg Gelernte gut zu übersetzen wusste, nicht nur in der Kirchenzeitung, auch im Abendblatt und als Ausbilder der vielen Volontärinnen und Volontäre, die durch die Jahrzehnte vor seinem Schreibtisch Platz nahmen. Zum Jahresende wäre er in den Ruhestand gegangen. Es ist zu vermuten, dass er das von ihm geliebte Schreiben nicht aufgeben hätte.
Danke Andreas Hüser, danke für die auch kritisch-solidarische Begleitung, wir wissen Sie nun in Gottes Händen.“
Erzbischof Dr. Stefan Heße
Gottesdienst
Die Mitarbeitendenmesse am Donnerstag, 19. Juni 2025, um 12.30 Uhr im St. Marien-Dom wird im Gedenken an Andreas Hüser gefeiert.
Bild: M. Heinen/ Erzbistum Hamburg