Neu anfangen – Sonntagsimpuls zum 03. April 2022

"Nichts vergessen. Alles ordnen. Neu anfangen."

Herzlich willkommen zum geistlichen Impuls!
Ich bin Jürgen Wätjer und arbeite als Pastor in der Pfarrei Heilige Elisabeth. Sie hören den geistlichen Impuls zum 5. Fastensonntag.

 

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

„Nichts vergessen. Alles ordnen. Neu anfangen.“

So steht es auf einer Einladung zu einem Abschiedsfest. „Nichts vergessen. Alles ordnen. Neu anfangen.“ Wenn man die Karte aufklappt, heißt es: „Alles vergessen. Nichts ordnen. Neu anfangen.“ Nur zwei Wörter sind vertauscht: alles und nichts. Ein kleines, verwirrendes Wortspiel. Ein Wortspiel, das Viel verrät über das „Neu anfangen.“ Und neu anfangen, das ist ja nichts anderes als die Umkehr, zu der die Fastenzeit ruft.

Schauen wir auf die Worte in der Karte: „Alles vergessen. Nichts ordnen. Neu anfangen.“ In dieser Variante finden wir wieder, was der Prophet Jesaja und der Apostel Paulus vom Neu-Machen, vom Neu-Anfangen schreiben. „Denkt nicht mehr an das, was früher war“, heißt es bei Jesaja. »Auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Seht her, nun mache ich etwas Neues.« Bei Jesaja macht der Herr reinen Tisch. Er sagt: „Vergesst, schneidet ab, was hinter euch liegt! Lasst euch auf etwas Neues ein!“

Ganz ähnlich schreibt Paulus an die Gemeinde in Philippi. „Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist.“ Was war, ist unwichtig. Was kommt, darauf richtet der Apostel sich aus. Diese Bilder stellen uns einen Aufbruch vor Augen, der die lähmende Vergangenheit einfach hinter sich lässt. Sie stellen in Rechnung, dass der Mensch vergessen muss, um leben zu können. Die Bilder strotzen vor Energie und Entschiedenheit.

Diese Entschiedenheit hat etwas Sympathisches, Aufrüttelndes. Aber ist das schon die ganze Wahrheit zur Umkehr, zum Neu-Anfangen? Wir Christen leben in einer Kultur der Erinnerung, in einer Glaubenspraxis, die aus dem Auftrag des Erinnerns erwachsen ist: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. So spricht der Priester in jeder Eucharistiefeier die Einsetzungsworte Jesu nach. Und keiner, keine von uns kann die gelebten Jahre einfach abschütteln. „Alles vergessen. Nichts ordnen.“ So einfach ist es nicht mit dem Neuanfang, mit der Umkehr.

Klappen wir die Karte zu und schauen noch einmal auf die Vorderseite: „Nichts vergessen. Alles ordnen. Neu anfangen.“ In dieser Variante scheint die Umkehr auf wie sie uns im Evangelium begegnet. Nichts wird einfach vergessen: Der Ehebruch der Frau soll nicht in Vergessenheit geraten. Bevor es aber zur Steinigung nach dem Gesetz kommt, erinnert Jesus die Schriftgelehrten und die Pharisäer an ihr eigenes Leben. Er bewahrt sie vor dem Vergessen der eigenen Geschichte. Dann wendet Jesus sich der Frau zu. Auch ihre Tat vergisst er nicht. Aber er verurteilt sie nicht. Er ordnet alles, damit sie neu anfangen kann.

Alles ordnen, das heißt: „Von jetzt an nicht mehr!“ Das Leben jetzt, in der Gegenwart, wieder in Ordnung bringen. Und sich selbst neu ausrichten für die Zukunft. Diese Umkehr kommt ohne das Vergessen aus. Aber sie kommt nicht aus ohne das Annehmen der eigenen Vergangenheit, ohne das Annehmen, das nicht verurteilt. Und dieser Neuanfang kommt nicht aus ohne die Anstrengung, das Leben neu zu ordnen.

Die Umkehr des Evangeliums fällt schwerer als die, die nach einem Schlussstrich neu ansetzt. Aber die Umkehr des Evangeliums ist menschlich, weil sie damit rechnet, dass der Mensch nicht alles vergessen kann. Und sie ist menschlich, weil sie mit einem Gott rechnet, der uns Menschen angenommen hat, ohne uns zu verurteilen.

Die Einladung zu einem Abschiedsfest, sie hilft zu verstehen, wie Umkehr geht: „Nichts vergessen. Alles ordnen. Neu anfangen.“

Amen.