Über den November – Sonntagsimpuls 08.11.2020

Im neunten Beitrag der Sonntagsimpulse spricht Gemeindereferentin Simone Plengemeyer über Gedichte und den November.

Ich weiß nicht wie es Ihnen geht- behalten Sie schnell Gedichte?  Lernen Sie noch gut auswendig? Das ist sicher eine Sache des Trainings und natürlich des Übens. Es gibt Menschen, die Texte ihr Leben lang behalten. Sie tragen ihn förmlich in sich, weil sie ihn sich vielleicht immer wieder einmal vorgesprochen haben. Ich wollte vor ungefähr einem Jahr unbedingt das Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse lernen – wenigstens dieses eine – so dachte ich mir, dass ich dann vielleicht auch einmal, etwas aufsagen kann, wenn es heißt, wer kann denn noch ein Gedicht. Es hat viele Wochen, gedauert bis ich den Text für mich persönlich sprechen konnte. Ihn dann noch jemandem vorzusprechen ist noch schwieriger. Aber es hat auch geklappt – und ich war ein wenig stolz darauf. Und warum erzähle ich Ihnen das?

An diesem Sonntag habe ich die Aufgabe einen Impuls zum heutigen Evangelium zu geben: Und darin geht es gerade um das Gleichnis von den 10 törichten und klugen Jungfrauen. Sie können es nachlesen in Mt. 25,1-13. Ich dachte: Das kann doch wohl nicht wahr sein. Gerade dieses Gleichnis.

Als angehende Jugendliche – ich denke, wir waren etwa 14 Jahre alt – haben wir in unserer Gemeinde viele Anspiele und auch Theaterstücke für ganz unterschiedliche Gelegenheiten einstudiert. Wir hatten Freude am Theater spielen und Spaß – und da stand gerade das Stück um den Bräutigam und die Jungfrauen auf dem Plan. Ich weiß nicht mehr, ob für ein Seniorennachmittag oder eine andere Gelegenheit.

Es ging wie immer um die Verteilung der Rollen und Sie können sich vorstellen, was Mädchen lieber spielen wollen: eine törichte oder eine kluge Person?  Wir wollten natürlich alle klug sein. Aber das ging ja nicht. Ich musste leider eine Törichte spielen und komischerweise – ich weiß nicht warum: Diesen Text habe ich bis heute im Kopf. Da heißt es:

„Das Warten, das gefällt mir nicht.
Nicht einmal schlafen kann man bei diesem Licht.
Wir wollen uns unsere Langeweile vertreiben,
der Bräutigam, der kann noch bleiben!“

Dann haben wir die Laterne ausgepustet. Ich kann mich sogar noch erinnern, wer mit mir eine törichte Jungfrau spielte – denn wir hatten so richtig Spaß am Text und auch am Licht auspusten. Aber dann, dann durften wir tatsächlich nicht mit zur Hochzeit. Das war hart. Alle andern gingen feiern, nur wir nicht.

Heute kann ich mit diesem Evangelium immer noch nicht so viel anfangen. Ich habe mehr Fragen dazu als Antworten. Schon das Wort „Jungfrauen“ bleibt mir irgendwie im Hals stecken – Ich erinnere mich und spüre es noch, wie es ist, auf der Verliererseite zu stehen und nicht hineingelassen zu werden zu einer so schönen Feier. Wenn man in einer Situation nichts, aber auch gar nichts mehr ändern oder tun kann – was für eine Ohnmacht. Das Gefühl hatte etwas Stechendes. Es war schrecklich.

Und das haben Sie vielleicht auch schon erlebt – sich nicht zugehörig zu fühlen oder ausgegrenzt zu werden oder wegen einer anderen Meinung außerhalb zu stehen oder vielleicht auch sich nicht der Situation entsprechend verhalten zu haben. Und: Dass alle klugen Jungfrauen nur an sich und ihren Vorteil gedacht haben – das wurmt mich bis heute. Haben sie denn gar kein Mitleid mit den anderen, die halt nicht so klug sind? Wie kann ich feiern, wenn ich weiß, andere bleiben ausgeschlossen? Es gibt theologische Antworten, aber für mich persönlich gilt: Wir alle sollten uns bemühen wachsam zu sein und die Menschen um uns herum im Blick zu haben. Auch, wenn das nicht immer nur gelingt. Ich jedenfalls hoffe sehr, dass es am Ende jemanden gibt, der mich mit hinein nimmt zu dem großen Fest. Gerade jetzt im November, in dem wir an unsere Verstorbenen denken, habe ich für mich dieses Bild, dass wir ein großes Fest feiern ohne Sorgen und alle, alle die sie gerne haben, dazu kommen. Darauf vertraue ich.

Ich staune über Menschen, die Gedichte aufsagen können, da sie sie verinnerlicht und verstanden haben. Denn dann verlernt man sie auch nicht. Ich muss schon wieder neu lernen. Vielleicht haben Sie jetzt auch einmal Lust bekommen zu schauen, welchen Text Sie noch so parat haben und ob Sie gern noch mal einen neuen lernen möchten – gerade jetzt im Herbst. Viel Freude wünsche ich Ihnen dabei.

Dieser November wird für uns alle sehr schwer. Darum gilt es besonders: Bleiben wir aufmerksam, bleiben wir behütet. Das wünsche ich uns allen. Einen schönen und gesegneten 2. Sonntag im November.