Wo ist denn von Pfingsten etwas zu spüren? – Sonntagsimpuls 23.05.2021
Im zweiundvierzigsten Beitrag der Sonntagsimpulse spricht Pastor Dr. Jürgen Wätjer über das Pfingsten während Corona – und die Überraschungen, die diese Zeit mit sich bringt.
Evangelium: Johannes 20, 19-23
Am Abend des ersten Tages der Woche,
als die Jünger aus Furcht vor den Juden
bei verschlossenen Türen beisammen waren,
kam Jesus,
trat in ihre Mitte
und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Nach diesen Worten
zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.
Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch!
Wie mich der Vater gesandt hat,
so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte,
hauchte er sie an
und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!
Denen ihr die Sünden erlasst,
denen sind sie erlassen;
denen ihr sie behaltet,
sind sie behalten.
Impuls
Liebe Schwestern und Brüder in der Gemeinschaft des Glaubens!
Pfingsten ist es. Im Kalender steht es so. Und wir haben deswegen schließlich auch Schulferien oder im Betrieb einen Tag mehr frei! Und es sind mehr Urlauber unterwegs als sonst in dieser Zeit von Corona: Es ist Pfingsten!
Aber Zweifler haben schon Anlass zu der Frage: »Wo ist denn von diesem Pfingsten nun etwas zu spüren? Es reicht doch nicht, dass es im Kalender steht! Es reicht doch nicht, dass die Gemeinde ein paar Heilig-Geist-Lieder mitsummt! Es reicht doch nicht, dass Priester und Diakon rote Gewänder tragen, die an die pfingstlichen Feuerzungen erinnern! Wo ist denn von Pfingsten etwas zu spüren?«
Meine Antwort: Zugegeben – so einfach ist es nicht, das Pfingsten unserer Tage zu entdecken. Es ist nicht so aufsehenerregend wie das erste Pfingsten damals in Jerusalem. Aber sind nicht die feinen Goldadern des Geistes Gottes doch in unserem Leben spürbar? Ich erlebe trotz der Pandemie soviel Unerwartetes, Überraschendes, das gar nicht so leicht durch unsere Kräfte, unser Geschick und Können zu erklären ist: Etwa dass Menschen ihre Gefühle und Empfindungen ganz frei, offen und zugleich achtsam und einfühlsam äußern; dass wir in einem solidarischen Miteinander die Corona-Krise langsam in den Griff bekommen; dass ältere Menschen unter uns auch einmal vergesslich sein dürfen, ohne dass sie deswegen abgeschrieben werden; dass Überforderte den Mut gewinnen, zu ihren Grenzen zu stehen und um Hilfe zu bitten! Ich bin sicher: Solches Pfingsten – zaghaft und doch großartig – gibt es auch hier und heute unter uns. Wir müssen es nur erst wahrnehmen.
Vor fast 58 Jahren starb Papst Johannes XXIII. Für die Jüngeren unter uns ist das schon eine ferne Geschichte. Aber ich bin überzeugt: Wir tun gut daran, uns zu erinnern. Johannes XXIII. hat in seinem nur fünfjährigen Wirken als Papst, mit seinem Wesen und seiner Art, mit seiner Ausstrahlung und Herzlichkeit, mit seinem Brückenbauen hin zu den christlichen Schwesterkirchen, mit seiner Friedens- und Versöhnungsarbeit ein wirkliches Feuer entfacht, einen Sturm neuen Geistes ausgelöst. Die weit geöffneten Fenster, frische Luft und Weite – das verdanken wir in unserer Kirche seinem Wirken! Und vor allem auch dem erstaunlichen Prozess des Zweiten Vatikanischen Konzils, den er angestoßen hat. Das war und ist Pfingsten: Die Kirche verwandelte sich, die Türen öffneten sich damals. In den zurückliegenden Jahren durfte ich und durften viele aus uns von diesem Pfingsten zehren. Dieser Papst war ein Geschenk Gottes an seine Kirche. In ihm war Gottes Geist. In ihm wurde Pfingsten lebendig.
Ich weiß, jetzt werden viele sagen: Es reicht doch nicht, die Geschichten der Vergangenheit aufzuzählen. Wir leben heute. Und heute wirkt die Kirche doch eher mutlos, verzagt, unter Druck gekommen, ja fast depressiv. Aber auch diese Kirche hat ihre Chance. Die Chance nämlich, mit den verzagten Jüngern des Anfangs zusammen Jesus Christus zu begegnen. Eine Kirche, die sich auch heute auf diese Zusage einlässt, hat die Chance, neue Kraft zu gewinnen. Und sie weiß dann: Wir brauchen die Welt nicht aus eigener Kraft zu erneuern. Wir sind bei unserer Sendung, bei unserem Friedens- und Versöhnungsdienst nicht bloß auf das eigene Können angewiesen. Hinter uns steht der Herr.
Papst Johannes XXIII. war übrigens von der Art: Er hat nicht hinter jeder gesellschaftlichen Veränderung, hinter jeder fremden Verhaltensform gleich das Böse und Gottfeindliche gesehen. Er konnte mit einem ungeheuren Optimismus und einer wirklichen Gelassenheit auf die Zeichen und Spuren Gottes hoffen und warten.
Pfingsten 2021 – ist davon wirklich etwas zu spüren? Oder steht es nur im Kalender? Der Blick in unsere Gemeinden und Orte kirchlichen Lebens sagt mir: Wir haben allen Grund, dankbar zu sein, weil der Herr auch heute immer neu in unsere Mitte tritt. Sein Lebensatem wird unter uns greifbar, sein Wirken hinterlässt Spuren – wir brauchen nur offene Augen dafür und die Bereitschaft, uns ihm angstlos zu öffnen.
Amen. Halleluja.
Gebet
Atme in mir, du Heiliger Geist, dass ich Heiliges denke.
Treibe mich, du Heiliger Geist, dass ich Heiliges tue.
Locke mich, du Heiliger Geist, dass ich Heiliges liebe.
Stärke mich, du Heiliger Geist, dass ich Heiliges hüte.
Hüte mich, du Heiliger Geist, dass ich das Heilige nimmer verliere.
– Augustinus zugeschrieben weiter ->