Vom Bild des guten Hirten – Sonntagsimpuls 25.04.2021

Im siebenundreißigsten Beitrag der Sonntagsimpulse spricht Pastor Dr. Jürgen Wätjer über die Hirt_innen in unserer Gemeinschaft.

Liebe Schwestern und Brüder!

Was für ein schönes Bild! Ein Schäfer in der Lüneburger Heide im Sommer inmitten der Natur, umgeben von treuen Hunden. Gestützt auf seinen Stab ruhig vor sich hin sinnierend. Welche Idylle! – Lassen wir uns nicht täuschen: Die Wirklichkeit und der ganze Alltag eines Hirten sind weniger geprägt von Romantik. Das ist harte Arbeit. Kein Acht-Stunden-Tag! Mehrere Hundert Tiere dauernd im Auge behalten. Die Wege und Weidegründe kennen. Die Muttertiere und Lämmer hegen und pflegen. Verletzte behandeln. Kurz: Ein Beruf, den man ganz ausfüllen muss und der sich nicht mit Feierabend um Fünf machen lässt. Es gehört voller Einsatz und überdurchschnittliches Zugegensein zu diesem Beruf. Hirt und Herde sind aufeinander angewiesen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese Aufgabe jemand machen kann, der sich nicht auf die Tiere, auf dauernde Gemeinschaft und langes Miteinander-Unterwegssein einlässt.

Der Abschnitt aus dem Johannesevangelium verschweigt nicht diesen anspruchsvollen Dienst. Da ist die Rede von »ich gebe mein Leben« und »ich kenne die Meinen« und »sie werden auf meine Stimme hören« – alles Aussagen, die darauf hindeuten, welch intensive Beziehung notwendig ist, um eine Herde zu führen. Wenn das schon mit den Tieren so ist, wie viel mehr dann noch mit den Menschen. Letztlich aber geht es um Gott selbst als dem Hirten seines Volkes. Er ist Beziehung. Er hat sich geäußert als Schöpfer der Welt und des Menschen. Es ist ihm nicht egal, was mit der Erde geschieht. Im ersten Bund in der Geschichte des Volkes Israels und im endgültigen Bund in Jesus Christus bindet er sich unwiderruflich an uns.

Ein Hirte hat auch Verantwortung für seine Herde. Ihm wurden viele Tiere anvertraut, oft auch von ganz unterschiedlichen Herkünften. Er muss sich mit ihnen vertraut machen, damit »sie auf meine Stimme hören«. Sie werden nur dann hören und gehorchen, wenn sie mich kennen und mit mir gute Erfahrungen gemacht haben. Nachhaltiges Wachstum kann nur geschehen in einem längeren Miteinander. Seelsorger_innen leiden manchmal darunter, dass in Zeiten der Pastoralen Räume oft nur punktuelle Kontakte zu den Menschen möglich sind. Sie können zwar für den Moment ausreichend sein können, aber vielleicht auf Dauer nicht nachhaltig. Gemeindebildung kann dadurch geschwächt sein. Kein Wunder, dass gemeinsames Unterwegssein immer mehr Anhänger findet. Pilgern ist wieder in! Da kann ich als Glaubender und Suchender Erfahrungen machen mit mir selbst und durch Begegnung mit andern. Die kann ich mir gar nicht immer aussuchen. Oft begegnen sie mir überraschend oder befremdend. Sich Zeit zu nehmen, miteinander zu sprechen, miteinander zu essen und miteinander ein Stück des Weges zu gehen, sind die Grundelemente von Beziehung.

An diesem Samstag und Sonntag laden wir in unseren Gemeinden und Pfarreien am Weltgebetstag um geistliche Berufungen zum privaten und gemeinsamen Gebet ein: „Werft die Netze aus!“ Christus möge seiner Kirche und unserer Welt Frauen und Männer schenken, die in einem kirchlichen Beruf ihre Hingabe leben – sei es als Gemeindereferent_in, Pastoralreferent_in, als Diakon oder Priester, in einer Ordensgemeinschaft. Auf der Homepage www.wdna.de finden sie Hinweise und Gebetsanregungen zu dieser deutschlandweiten Gebetsaktion.

Das Bild des guten Hirten macht deutlich, dass es ohne ein Sich-Hineingeben in die Situation und in Beziehungen nicht geht. Sein Auftrag umfasst Leiten und Führen genauso wie Beschützen und Hegen. Verweilen und Aufbrechen genauso wie Sammeln und Begrenzen. Unterwegs sein genauso wie Ruhen. Das heißt: Leben ermöglichen durch kluge und mitfühlende Leitung. Diese göttliche Art brauchen wir heute dringender denn je, sowohl in der Kirche als auch in Schulen und Betrieben. Die Krise der gegenwärtigen Zeit kann uns neu auf diese Wurzeln menschlichen Miteinanders verweisen.

Ich wünsche mir gute Hirtinnen und Hirten auf allen Weiden unseres Lebens.

Amen. Halleluja.

Evangelium: Johannes 10, 11-18

In jener Zeit sprach Jesus:
Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reißt sie und zerstreut sie. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten. Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es von mir aus hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.

Gebet

Jesus, göttlicher Hirt,
du hast die Apostel berufen und zu Menschenfischern gemacht.
Rufe auch heute (…) Menschen in deine Nachfolge und deinen Dienst.
Öffne ihnen den Blick für die stumme Bitte so vieler um das Licht der Wahrheit und die Wärme echter Liebe.
Lass sie getreu ihrer Berufung am Aufbau deines geheimnisvollen Leibes mitarbeiten und so deine Sendung fortsetzen.
Mach sie zum Salz der Erde und zum Licht der Welt.
– Papst Paul VI.